Welche Schwierigkeiten treten auf, wenn Normen aus dem Erwachsenenbereich zur Diagnostik kindlicher Dysarthrien verwendet werden?
Alle bislang verfügbaren Diagnostikverfahren für Dysarthrien sind für die Untersuchung erwachsener Patienten konzipiert. Die gängigsten Methoden bauen dabei (unter anderem) auf der auditiven Beurteilung des Sprechens auf, – so zum Beispiel die Frenchay Dysarthrieuntersuchung (FDA: Enderby, 2004) und die Bogenhausener Dysarthrieskalen (BoDyS: Ziegler et al., 2015).
Bei der auditiven Diagnostik wird das Sprechen eines Patienten traditionell anhand von Merkmalslisten, die Symptome der relevanten Bereiche Atmung, Stimme, Artikulation und Prosodie umfassen, beschrieben (z.B. „erhöhte Einatmungshäufigkeit“, „heisere Phonation“, „behauchte Phonation“, „reduzierte Artikulation“, „hypernasal“, „langsam“):
Beispiel Iauditive Beurteilung der Stimme im Rahmen der Frenchay Dysarthrieuntersuchung |
Beispiel IIauditive Beurteilung der Bereiche Atmung, Stimme, Artikulation und Resonanz, sowie Prosodie im Rahmen der Bogenhausener Dysarthrieskalen (BoDyS) |
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„(…) Der Patient ist etwas HEISER oder die Stimme ist gelegentlich ZU HOCH / TIEF oder zu LAUT / LEISE (…)“ | Abbildung: Ausschnitt Auswertungsbogen BoDyS, Bereiche Artikulation (ART) und Resonanz (RES) |
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Diese Merkmale, die bei Erwachsenen als Dysarthriesymptom klassifiziert werden, können bei Kindern auch als physiologische Sprechmerkmale im Rahmen der Entwicklung auftreten (siehe Besondere Herausforderungen). Um nun bei einem Kind mit einer Hirnschädigung zu entscheiden, inwieweit es sich bei einem Sprechmerkmal um ein physiologisches Phänomen oder aber um ein Dysarthriesymptom handelt, benötigen wir altersspezifische neurophonetische Normdaten (Praktische Umsetzung). |
Im Rahmen des aktuellen DFG-Projekts zu kindlichen Dysarthrien (siehe Forschung) wurden erste neurophonetische Normdaten für 3- bis 9-jährige Kinder erhoben. Darauf aufbauend wurde ein Ansatz für die auditive Beurteilung kindlicher Dysarthrien entwickelt, den wir unter (Praktische Umsetzung) vorstellen. Dieser ist auch Teil des BoDyS-KiD Untersuchungsinstruments. |